Mein Pflichtteil ist weg!
Die Übergabe aus Sicht der übergangenen Kinder
In der notariellen Praxis taucht immer wieder die Frage auf, warum die Eltern die elterliche Liegenschaft einem Geschwisterteil zuwenden, ohne dass die übrigen Kinder davon etwas wussten und die Eltern so „den Erbteil verschenkt“ haben.
Grundsätzlich sind Schenkungen auch ohne Zuziehung der übrigen Geschwister möglich. Wird dabei auch den Eltern ein Recht eingeräumt (Wohn-, Fruchtgenussrecht, eine Rente), so liegt keine reine Schenkung, sondern eine Übergabe („gemischte Schenkung“) vor.
Diese Verträge sind in der Regel notariatsaktspflichtig und es trifft den Notar als Urkundenerrichter eine umfassende Belehrungspflicht. So wird der Notar mit den Beteiligten die Rechtsfolgen dieser Übergabe ausführlich besprechen, insbesondere was die Sicherstellung von Rechten der Übergeber im Grundbuch betrifft, aber auch die erb- und steuerrechtlichen Konsequenzen. Genauso wie den Notar jedoch eine umfassende Belehrungspflicht trifft, hat er gegenüber Außenstehenden strikte Verschwiegenheit zu bewahren und ist nicht zur Auskunftserteilung an dritte Personen berechtigt.
Kinder, die nicht ausreichend bedacht wurden, können jedoch im Ablebensfall der Eltern Pflichtteilsansprüche geltend machen. Diesen Pflichtteilsansprüchen sind über Verlangen lebzeitig erfolgte Schenkungen an andere Kinder hinzuzurechnen.
Betreffend zurückliegender Schenkungen, Kontobewegungen vor dem Todestag, etc, steht Pflichtteilsberechtigten, Erben und Vermächtnisnehmern ein Auskunftsanspruch zu. Auskunftspflichtig sind die Verlassenschaft, die Erben und die Geschenknehmer. Wer die Auskunft begehrt, muss allerdings beweisen, dass der Anspruchsgegner tatsächlich eine anrechenbare Schenkung erhalten hat.
Der Pflichtteilsanspruch ist aus der Verlassenschaft zu erfüllen. Ist in der Verlassenschaft aber weniger vorhanden, als sich aufgrund dieser Bestimmungen rechnerisch an Anspruch ergibt, haben die beschenkten Geschwister den Fehlbetrag zu leisten. Es kann also dazu kommen, dass das Kind, an welches die Liegenschaft übergeben wurde, dem nicht bedachten Kind den Pflichtteil auszahlen muss.
Aus Anlass der Vertragsbesprechung wird der Notar auf diese Ansprüche ausdrücklich aufmerksam machen und dazu raten, solche Pflichtteilsansprüche bereits lebzeitig zu regeln. Nicht zuletzt deshalb, weil sich infolge von zukünftigen Aufwendungen (z.B. Aus- und Umbauten) erhebliche Bewertungsprobleme ergeben können.
Solche Pflichtteilsansprüche können lebzeitig mittels Pflichtteilsverzicht geregelt werden. Geben nicht bedachte Kinder einen Pflichtteilsverzicht ab, muss das beschenkte Kind nicht mehr befürchten, dass es im Ablebensfall der Eltern eventuell Pflichtteilsansprüche dieser Geschwister zu erfüllen hat.
Daher ist anzuraten, dass alle Kinder bei lebzeitigen Verträgen miteinbezogen werden.